
Von Sascha Arnautović
Am 4. März 2025 fand die erste Rede von US-Präsident Donald J. Trump in seiner zweiten Amtszeit vor beiden Kammern des Kongresses auf dem Capitol Hill statt, die – zumindest von republikanischer Seite – mit Spannung erwartet worden ist. Doch der Nachrichtenwert war eigentlich nur der Umstand, dass die Rede des 47. Präsidenten der USA aufgrund ihrer Länge von sage und schreibe fast genau 100 Minuten den Rekord bisheriger Ansprachen amerikanischer Präsidenten im Kongress gebrochen hat. Denn ansonsten gab es nicht viel Neues zu vermelden.
Hauptsächlich fiel Donald Trump, wie man es von ihm eigentlich schon gewohnt ist, durch markige Sprüche, persönliche Angriffe gegenüber seinem Amtsvorgänger Joe Biden („der schlechteste US-Präsident der Geschichte“) und dessen Regierung sowie durch ein von sich selbst sehr überzeugtes Auftreten auf. So argumentierte er, dass seine Regierung in gerade einmal 43 Tagen schon so viel erreicht hätte, wie noch keine US-Regierung zuvor. Dabei spielte er auf den Erlass von über einhundert Dekreten an, mit denen er viele Maßnahmen der Biden-Harris-Regierung auf einen Schlag zurücknahm. Allerdings verschweigt er in diesem Zusammenhang geflissentlich, dass einige davon von US-Gerichten gestoppt wurden. Doch Trump wäre nicht Trump, wenn er nicht noch einen draufsetzen würde: So behauptete er, dass manche US-Regierungen es nicht einmal in vier oder teilweise sogar auch nicht in acht Jahren Amtszeit zu einem solch entschiedenen und konsequenten Handeln gebracht hätten, wie es seiner Regierung in kürzester Zeit gelungen sei.
Präsident Trump hält dem „anderen Amerika“ der Demokratischen Partei entgegen, dass erst durch ihn wieder die „Rückkehr des gesunden Menschenverstandes“ vonstattengehen konnte. So bietet er sogar den anwesenden Mitgliedern der Demokraten aus Senat und Repräsentantenhaus an, dass diese sich ihm gerne anschließen könnten, um „Amerika wieder groß zu machen“. Donald Trump ist fest davon überzeugt, dass seine Regierung den notwendigen Wandel für die USA herbeiführen kann – und zwar „für eine Zukunft, die das Land verdient“. Jetzt sei, so der US-Präsident, „die Zeit für große Träume und kühne Taten“ gekommen. „Amerika ist zurück!“, so lautete seine Botschaft, und blicke einem „Goldenen Zeitalter“ entgegen. Im weiteren Verlauf seiner Rede listete Trump alle vermeintlichen Fehler der Vorgängerregierung auf, die er binnen kürzester Zeit revidiert hätte, angefangen vom Zahlungsstopp der US-Auslandshilfen (am 5. März jedoch durch den Supreme Court wieder aufgehoben) über den Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen bis hin zu – aus seiner Sicht – überflüssigen und unsinnigen Umweltauflagen. Besonders aufschlussreich wurde es, als US-Präsident Trump auf das Thema „Zölle“ zu sprechen kam. Er sieht in diesen offenbar die Chance, „Amerika reich und groß zu machen“. Es wird damit deutlich, dass er Zölle ganz gezielt als Waffe einsetzen will, um andere Länder, wie z. B. China, Kanada und Mexiko, die in Ungnade gefallen sind aufgrund ihrer jahrzehntelangen Zölle gegen die USA, abzustrafen. Auch das Thema „Grenzschutz und Migration“ betrachtet Donald Trump als ein für ihn und seine Regierung wichtiges Thema, dem große Aufmerksamkeit zukommen solle, um „Joe Bidens Politik der offenen Grenzen“ endlich Einhalt zu gebieten. Wie nicht anders zu erwarten war, sieht Präsident Trump ein völliges Versagen der US-Behörden unter Joe Biden, was ihn wiederum dazu veranlasst hätte, ein – ausgesprochen radikales – Programm gegen illegale Migration an der Südgrenze der USA zu Mexiko auf den Weg zu bringen, um der Gefahr durch „kriminelle illegale Einwanderer“ Herr zu werden. Insgesamt lag der Schwerpunkt von Trumps Rede stärker auf der Innenpolitik als auf der Außenpolitik der USA.
Der außenpolitische Teil befasste sich im Wesentlichen mit den territorialen Ansprüchen der USA unter „Trump 2.0“, wobei der Fokus auf dem Panamakanal und auf Grönland lag. Auch eine mögliche Beendigung des Ukraine-Krieges machte Donald Trump zum Thema in seiner Ansprache und verwies dabei auf Wolodymyr Selenskyjs kürzliches Einlenken in Form eines Briefes und der damit verbundenen Bereitschaft des ukrainischen Präsidenten, an den Verhandlungstisch nach dem vorangegangenen Eklat im Weißen Haus zurückzukehren. So sei dieser nun zur Unterschrift hinsichtlich des geplanten Rohstoff-Abkommens zwischen den USA und seinem Land bereit. Darüber hinaus betonte Trump die von der russischen Seite ausgehenden ersten positiven Signale, dass der Kreml grundsätzlich bereit für einen Frieden sei. In diesem Zusammenhang bezeichnete der US-Präsident den Ukraine-Krieg als „Wahnsinn“ und als ein „sinnloser Krieg“, der deswegen unbedingt so schnell wie möglich zu beenden sei.
Unter dem Strich konnte Donald Trump jedoch in seiner Rede nicht überzeugen, zumal er sich immer wieder an der Biden-Harris-Regierung abarbeitete und nicht imstande war, eine Politik zu formulieren, die wirklich alle Amerikanerinnen und Amerikaner einschließt. Gerade aus gesellschaftspolitisch heiklen Themen wie der Geschlechterkampf und der Kampf um Gleichheit in den USA, die Trump ausschließlich aus seiner eigenen (subjektiven) Perspektive und derjenigen seiner Anhängerschaft betrachtet, resultiert erheblicher sozialer Sprengstoff, da einige Bevölkerungsteile dadurch zwangsläufig ins Abseits geraten und sich nicht mehr gehört fühlen. Auch die im US-Militär unter Trump vorgesehene Entlassung von transsexuellen Menschen begünstigt ein ideologisch aufgeladenes gesellschaftliches Klima in Amerika, das über kurz oder lang für sozialen Unfrieden sorgen wird. Öl ins Feuer gießt sicherlich auch die Bemerkung des derzeitigen US-Präsidenten, als er den „Kampf gegen die toxische Ideologie an Schulen“ ansprach und in diesem Kontext deutlich machte, dass unter seiner Führung der „Geschlechterideologie“ der Kampf angesagt wird. Der sogenannte Kulturkampf dürfte daher unter Donald Trump zusätzlich befeuert werden, was die gesellschaftliche Spaltung Amerikas weiter voranschreiten lässt. Auch die „kritische Rassentheorie“ an US-Schulen wird seinerseits bewusst angesprochen, um damit für weiteren sozialen Zündstoff zu sorgen. Klar geworden ist einmal mehr durch die Kongress-Rede vom März dieses Jahres, dass US-Präsident Trump kein Versöhner ist, sondern weiterhin ein Spalter bleibt.
Insbesondere „EU-Europa“ und die Ukraine dürften sich sicherlich mehr von Donald Trumps Rede vor dem US-Kongress erwartet haben, was die weitere außenpolitische Ausrichtung seines Landes betrifft. So bleibt es lediglich bei sehr wenigen und ausgesprochen vagen Aussagen zum Politikfeld „Außenpolitik“, die möglicherweise absichtlich keinen genaueren Blick in Trumps (außenpolitische) Karten ermöglichen. Sollte dies tatsächlich zutreffen, wäre es dann umso wichtiger, im europäischen Rahmen die Gunst der Stunde zu nutzen, um sich unabhängiger von der erratischen Politik des neuen US-Präsidenten zu machen. Nur auf diese Weise könnte womöglich Schlimmeres für den Kontinent Europa verhindert werden. Anstatt zu sehr auf die USA unter veränderten Rahmenbedingungen zu blicken, wäre ein Mehr an strategischer Autonomie Europas in der gegenwärtigen Situation angezeigt. Es liegt daher an Brüssel, an den anderen europäischen Hauptstädten und an Kiew, das Beste aus der fraglos schwierigen Situation zu machen. „America Alone“ scheint das neue Credo Trumps zu sein, auf welches es sich diesseits des Atlantiks einzustellen gilt.
